Dr. Nadine Sukowski ist Professorin für integrales Management und Wirtschaftspsychologie und ihr Buch „Integrale Führungskompetenzen – Handlungsstrategien für unsichere Zeiten“ ist ein nützlicher Leitfaden für Führungshandeln, der durch eine systemtheoretische und integrale Perspektive informiert ist. Ausgehend von der Irritation, die ein Zustand von Unsicherheit in jeder Organisation darstellt, beschreibt Sukowski vier unterschiedliche Strategien, welche Führungskräfte ihrer Erfahrung nach anwenden, um trotzdem handlungsfähig zu bleiben. Wer die integrale Theorie Ken Wilbers kennt, hat keine Schwierigkeiten, seine Theorie der vier Quadranten in ihren vier „Räumen“, „Mental Raum“, „Ressourcen Raum“, „Kultur Raum“ und „Struktur Raum“, wiederzuerkennen.
Führungskräfte tendieren demnach dazu, intuitiv einen oder mehrere dieser Räume stärker zu bespielen, als andere, um auf eine unsichere Situation zu reagieren. Darin liegt sowohl eine wichtige Ressource, als auch eine inhärente Beschränktheit ihrer Antwortmöglichkeiten. Sukowski bietet daher im Buch einen diagnostischen Selbsttest an, so dass der geneigte Leser sich über seine präferierten Muster bewusstwerden kann.
Die Strategien, die sich aus diesen Neigungen ergeben und, die jeweils ihre eigenen spezifischen Wahrnehmungsqualitäten mit sich bringen, nennt Sukowski „Funktionalstrategie“, „Emotionalstrategie“, „Interpersonalstrategie“ und „holistische Strategie“. Sie erklärt ferner, in welchen organisationalen Kontexten welche Art von Strategie vornehmlich anzutreffen ist, ob nun in einer funktional-hierarchischen Struktur, einer Matrix-Organisationsstruktur, oder in einer teambasierten Organisationstruktur.
Im Hauptteil des Buches schildert die Autorin anhand von Beispielfällen anschaulich die Eigenschaften, Größen und Grenzen der jeweiligen Strategien im Detail. Hierbei stellt sie in zahlreichen Exkursen für jede Strategie die in diesem Kontext hilfreichen Methoden, Übungen und Tipps dar, die aus ihrer Sicht in den Werkzeugkasten einer Führungskraft gehören.
Im letzten Kapitel widmet sie sich im Detail den vier Kompetenzfeldern, die sie „integrale Führungskompetenzen“ nennt: „Polaritäten managen“, „Spannungsfelder managen“, „Resonanzräume managen“ und „Selbstorganisation managen“. Auch hier gelingt es ihr, mit einer ausgewogenen Mischung aus vielen Illustrationen, praktischen Beispielen, Methoden-Tipps und Übungen multiple Anknüpfungspunkte für Praktiker zu schaffen, um die handlungspraktische Relevanz ihrer zahlreichen Landkarten zu unterstreichen.
Alles in allem ist es ein empfehlenswertes Buch für Führungskräften in konventionellen Organisationen. Damit ist auch implizit für mich der einzige Wermutstropfen in Bezug auf das Buch beschrieben: die Autorin geht nur flüchtig im Vorübergehen auf neue Arten von Selbstmanagement (z.B. Holacracy) ein, welche ein radikal anderes, verteiltes Führungsverständnis erfordern und ermöglichen. Diese Modelle erfordern weiterhin Führung – jedoch unter komplett neuen Vorzeichen. Da noch nicht viele Firmen sie wirklich leben, ist das auch weniger ein Vorwurf an die Autorin, als vielmehr eine Reflektion darüber, wieviel Aufklärungsarbeit noch nötig ist.
Doch ganz gleich, ob holakratische Organisation oder klassisch funktional hierarchische Organisation: Führende aus beiden Organisationsformen werden von den integralen Ideen aus diesem Buch profitieren.
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