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HOLACRACY – Organisation Reloaded
veröffentlicht am 24.07.2014

Holacracy® ist eine neuartige soziale Technologie für Organisationen. Sie stellt einen enormen evolutionären Sprung dar, jenseits von bekannten und selbst progressiven Ansätzen von Organisation. Sie ist ein Update für das grundlegende Organisations-Betriebssystem im 21. Jahrhundert – eine konkrete Praxis, die alle Anwendungsmöglichkeiten und organisationellen “Apps” von Organisationen berührt. Die Holacracy-Praxis ist keine bloße Theorie, sondern selber das Ergebnis eines gezielten evolutionären Selektionsprozesses, gespeist aus vielerlei Quellen und Inspirationen, bewährten und bekannten Best-Practices für Business und Organisation, pionierhaft im Versuch-und-Irrtum Verfahren destilliert und entwickelt von HolacracyOne. Holacracy ist ein Exemplar eines vollkommen neuen organisationellen Paradigmas, basierend auf den Prinzipien

  • der zweckgetriebenen, evolutionären Organisation,
  • der dynamischen Steuerung,
  • der systematischen Prozessierung von Spannungen,
  • des iterativen organisationellen Lernens,
  • der integrativen Entscheidungsfindung,
  • des Non-Dominance-Leaderships,
  • der Distribution von Autorität und Leadership durch den Governance-Prozess
  • der fraktalen Selbstorganisation der organisationellen Hierarchie (Holarchie)

Zweckgetriebene, evolutionäre Organisation

Viele Organisationen heutzutage sind profitgetrieben. Sie missverstehen Profit als einen Organisationszweck. Holacracy betrachtet Profit als erstklassige Messgröße (Metric), aber nicht hinreichend als Zweck einer lebendigen Organisation. Anstelle dessen klinkt sich das Paradigma von Holacracy direkt in den Strom der Evolution des gesamten Kosmos selbst ein. Entwicklung geschieht überall – auf der Ebene der Materie, des biologischen Lebens und der menschlichen Kultur. Organisationen sind davon nicht ausgeschlossen – im Gegenteil: die hier kulminierende Komplexität ist Ausdruck des evolutionären Purpose selbst. Eine Organisation tut gut daran, ihren Zweck / Ziel (purpose) zu schärfen und kontinuierlich weiter zu entwickeln und in Verbindung zu halten mit dem allgemeinen Wachstumsgradienten des Kosmos. Die Praxis von Holacracy ermöglicht das ‘Lauschen’ auf den sich entwickelnden Zweck und dessen Ausdruck auf einzigartige Weise.

Dynamische Steuerung

Haben Sie jemals am Steuer eines Öltankers gesessen? Nein? Doch! Die meisten von uns haben Erfahrungen aus der Arbeit mit oder in trägen, wenig agilen Organisationen, insbesondere wenn diese Organisationen eine gewisse Größe haben. Wenn es aufgrund obsoleter Prozesse, zäher Meetings, ineffektiver Entscheidungsfindung und organisationellen Verkrustungen EWIG dauert, um das Steuer herumzureißen – wer kann da noch ernsthaft erstaunt sein, dass es Organisationen im Kontext allgemein beschleunigter Umwelten, Märkte, Globalisierung und Internet immer schwieriger fällt, sich auf kurzfristige Veränderungen einzustellen? Das muss nicht sein.

Holacracy antwortet auf diese Herausforderung mit dem Prinzip der Dynamischen Steuerung. Rapides Experimentieren, das Weiterarbeiten mit der gangbaren Lösung (anstelle der end- und zwecklosen Suche nach der “besten” Lösung), die kontinuierliche Adaption im Lichte realer Daten und Feedback, die Schaffung von Sichtbarkeit und Transparenz hinsichtlich operational erforderlicher Parameter, straff moderierte Meetingprozesse, und viele andere Prozesse sorgen dafür, dass Ihre Organisation jederzeit beweglich und anpassungsfähig bleibt. Vorbei die Zeiten, in denen man die Zukunft möglichst genau voraussagen, arbeitsintensiv dafür planen und dann angstvoll am Plan festhalten wollte. “Einfach mal was Neues probieren und basierend auf realen Daten anpassen” lautet das neue Credo im 21. Jahrhundert.

Systematische Prozessierung von Spannungen

“Spannungen” in Organisationen treten natürlicherweise überall dort auf, wo etwas nicht optimal gelaufen ist oder wann immer eine neue Chance am Horizont auftaucht, die beim Schopfe gepackt werden, bzw. ein neues Potenzial, das sich entfalten möchte. Menschen mit ihren Spannungen sind die Augen und Ohren der Organisation. Holacracy etabliert ein System, um die auf die Organisation bezogenen Spannungen zu unterscheiden von rein persönlichen Vorlieben und Abneigungen der Person. Die individuellen Spannungen werden einem durch den Prozess in die Selbstverantwortung zurück gegeben, doch für alle wirklich organisationellen Spannungen bietet Holacracy ein umfassendes System an, so dass jegliche Spannung, die von jeglichem Mitarbeiter der Organisation in jeglicher Situation empfunden wird, ein klar definiertes Forum erhält, um diese schnell und verlässlich zu lösen.

Iteratives organisationelles Lernen

Heerscharen von Consultants begleiten Organisationen in Wandlungsphasen. Mit dem alten Konzept wird gebrochen, es wird über Bord geworfen, eine frische Idee muss her. Leider sind diese periodischen Generalüberholungen zumeist wenig nachhaltig. Der Glanz verblasst schnell, die Veränderung war nur oberflächlich. Kein Wunder also, dass sich eine allgemeine Beratungsresistenz breit macht, wenn sich andeutet, dass mal wieder “die nächste Sau durchs Dorf getrieben” wird. In der Praxis von Holacracy hingegen ist die kontinuierliche Neu-Verdrahtung der organisationellen DNA auf jeder Ebene ein fester Grundbestandteil. Basierend auf realen Spannungen der Organisation, die regelmäßig in ein Update der Struktur prozessiert werden, gelingt es mit Holacracy komplexe Wandlungs- und Anpassungsprozesse in kleinen Schritten, iterativ und ohne radikale Brüche durchzuführen.

Integrative Entscheidungsfindung

Wenn man Entscheidungen treffen möchte, gibt es die bekannten Optionen von autokratischer (“Der Chef sagt, wo’s lang geht – auch wenn er Wichtiges übersieht.”), demokratischer (“Die Mehrheit entscheidet – auch wenn sie schlecht informiert ist”) und konsensualer (“Wir wollen, dass alle gehört werden und an einem Strang ziehen – und wenn wir hier noch bis nächste Woche hocken müssen”) Entscheidungsfindung. Alle haben ihre Vor- und Nachteile. Holacracy fügt dem die Integrative Entscheidungsfindung hinzu, ein innovativer Prozess, der die Vorteile Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, Perspektivenreichtum, Beteiligung und Ausrichtung am Organisationszweck miteinander vereint. Gleichzeitig werden die Klippen der “Tyrannei des Konsens”, des dominanten Überbügelns und des Überstimmens relevanter Perspektiven elegant umschifft. Es klingt zu schön, um wahr zu sein, aber es ist wahr – probieren Sie es aus!

Non-Dominance-Leadership

Der Paradigmenwechsel, den Holacracy einläutet, stellt unsere tiefsten Überzeugungen hinsichtlich Leadership in Frage. Der heroische Leader, ein weithin gehuldigtes Ideal, wird im Kontext von Holacracy obsolet. Wenn jeder Mitarbeiter seine Spannungen mithilfe von Holacracy eigenverantwortlich prozessieren und innerhalb gemeinsam definierter Arbeitsbereiche endlich selbständig und ohne Bevormundung arbeiten kann, wird ein “Empowerment” der Mitarbeiter überflüssig. Führungspersonen sind oftmals von der schieren Komplexität und Fülle der Information überfordert und ihr begrenztes Aufmerksamkeitsfeld gerät dadurch leicht zum Flaschenhals für die gesamte Organisation – trotz bester Intentionen. Infolgedessen dominieren sie oftmals zum Schaden der Organisation die Abläufe und Entscheidungsprozesse – ebenfalls trotz (hoffentlich) bester Intentionen. Holacracy sorgt durch fraktale Distribution von Autorität und Leadership für eine allgemeine Entlastung und eine zuverlässige Alternative zu der Führungskraft, die “am Ende die Kastanien aus dem Feuer holen muss”.

Distribution von Autorität und Leadership durch Governance

Holacracy hilft uns dabei, klare Rollen und Zuständigkeiten zu explizieren. Mitarbeiter, die eine Rolle innerhalb der Organisation füllen, bekommen einen klaren Autoritätsbereich zugewiesen, in dem sie frei schalten und walten können. Dieser wird kontinuierlich nach Bedarf angepasst und mit anderen Rollen synchronisiert. Jede Rolle in der Organisation “führt” – nämlich ihre Rolle. Da jeder Mitarbeiter der Organisation alle seine fünf Sinne als Sensoren zur Verfügung stellt, mit der Möglichkeit die Abläufe und Prozesse anzupassen und aktiv mitzusteuern, entlastet das die Führungsetage der Organisation von der Verantwortung ALLES prozessieren zu müssen.

Um dies zu ermöglichen bespielt Holacracy insbesondere die mittlere Ebene der Komplexität, die zwischen der abstrakten Strategie (das Wohin) auf der einen und dem konkreten operationalen Tagesgeschäft (das Was) auf der anderen Seite liegt. Diese betrifft das Wie der Zusammenarbeit, die Verteilung von Autorität auf Untereinheiten der Organisation (Kreise, Rollen, Zuständigkeiten). Diese Steuerung, oder auch Governance genannt, ermöglicht und fordert aktive Mitbestimmung aller Mitarbeiter eines Teams, von der untersten Ebene bis nach oben in den Vorstand. Der Prozess Integrativer Entscheidungsfindung stellt hierbei sicher, dass alle Perspektiven, die für die Steuerung der Organisation und das Erreichen des Ziels relevant sind, auf jeden Fall integriert werden und Stagnation verhindert wird.

Fraktale Selbstorganisation der organisationellen Hierarchie (Holarchie)

Natürliche Organismen bewältigen Komplexität durch eine selbstähnliche, hierarchisch gegliederte Struktur mit verschiedenen Ebenen, wie z.B. in der Sequenz Atome – Moleküle – Organellen – Zellen – Gewebe – Organe. Diese Hierarchie besteht aus Teil-Ganzen, sogenannten “Holons”, die eine “Holarchie” bilden. “Hola – cracy” bedeutet wörtlich gesehen die “Herrschaft der organisationellen Entität”. Eine Organisation ist demnach eine Entität mit einem Eigenleben (was die meisten nicht überraschen dürfte). Holacracy strebt danach, die natürliche, für den jeweiligen Organisationszweck erforderliche Struktur der Organisation freizulegen und sich dieser infinitisemal anzunähern. Entsprechend wird nicht versucht, die Organisation von einem zentralen Punkt aus zu kontrollieren, sondern wie in natürlich beobachtbaren Prozessen Kontrolle organisch über viele Ebenen zu verteilen, die sich selbst organisieren (Autopoiesis) und doch durch einen gemeinsamen Zweck koordiniert werden. Verknüpft werden die verschiedenen Ebenen durch jeweils zwei Rollen, die als Kanäle den Informationsfluss abwärts und aufwärts durch die Holarchie ermöglichen.

Alles in Allem kann Holacracy als neues „Betriebssystem“ verstanden werden – ein Update für unser Paradigma von Organisation – weg von der industriellen Metapher der Maschine, hin zu einem fluiden, organischen, selbstorganisierten und evolutionären Prozess der organisationellen Selbstentfaltung:

Organisation Reloaded.

veröffentlicht am 24.07.2014

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Dennis Wittrock, M.A.

Dennis Wittrock, M.A.

Zertifizierter Holacracy® Master Coach bei Xpreneurs (offizieller Holacracy Provider), sowie Partner bei encode.org, eine Beratungsfirma, die rechtliche, soziale und finanzielle Grundlagen für Selbstorganisation legt. Autor von „Holacracy verstehen„. Zuvor: interner Holakratie Coach bei Hypoport und Gründer und Co-Direktor der Integral European Conference

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